Die ganze Geschichte
Auf meiner Homepage möchte ich Ihnen meine Lebensgeschichte erzählen, die nicht nur meine persönliche Reise durch tiefe Täler der Vergangenheit, sondern auch meinen Weg hin zu einem bedeutsamen Engagement im Kampf gegen sexuelle Gewalt aufzeigt. Diese Geschichte ist ein Zeugnis dafür, wie aus tiefem Schmerz und Leid eine unermüdliche Kraft zum Helfen und Unterstützen erwachsen kann.
Kindheit und Jugend
Meine Geschichte beginnt in den Kinderheimen der DDR, wo ich ab dem Alter von neun Jahren schwerem Missbrauch und Vernachlässigung ausgesetzt war. Diese Zeit hat tiefe Narben hinterlassen, sowohl körperlich als auch seelisch. Trotz der dunklen Stunden meiner Kindheit, in denen ich von meinen Peinigern hilflos ausgeliefert war, habe ich einen Weg gefunden, diese Erfahrungen in etwas Positives zu verwandeln. Das Eintätowieren der Worte „Behind closed doors“ auf meinem rechten Unterarm dient mir als ständige Erinnerung an das, was ich durchgemacht habe, und als Symbol meiner Überlebenskraft.
Ich als Vater
In meinem Leben gab es Zeiten, in denen ich zutiefst daran gezweifelt habe, ob ich ein guter Vater sein kann. Zweimal war ich verheiratet, und bei beiden Ehen bin ich geflohen, sobald meine Kinder das Alter von einem Jahr erreicht hatten. Ich fühlte mich als Vater gescheitert, getrieben von der Angst, die mir zahlreiche Berichte über Kindesmissbrauch eingeflößt hatten. Sie zeichneten ein Bild, in dem Täter oft selbst eine schmerzhafte Vergangenheit im Heim oder eigene Missbrauchserfahrungen hatten. Die Befürchtung, ich könnte meinen Kindern eines Tages Schaden zufügen, ließ mich glauben, dass der einzig sichere Ausweg darin bestand, zu gehen. Diese Gedankenspirale war lähmend. Heute jedoch sehe ich klar: Diese Ängste waren unbegründet. Ich habe verstanden, dass solche Befürchtungen völliger Unsinn waren und ich nie auch nur im entferntesten Gefahr gelaufen wäre, meinen Kindern etwas anzutun. Mein Weg hat mich gelehrt, zwischen meiner Vergangenheit und meiner Fähigkeit, ein liebender und fürsorglicher Vater zu sein, zu unterscheiden.
Wendepunkte
Der Schritt in die Therapie war ein Wendepunkt in meinem Leben. Lange Zeit hatte ich versucht, den Schmerz durch Arbeit zu betäuben und die Vergangenheit zu vergessen. Doch eines Tages war klar, dass Weglaufen keine Lösung ist. In der Gruppentherapie, in der ich erstmals offen über meine Erlebnisse sprechen konnte, lernte ich, dass ich trotz meiner Geschichte ich selbst sein darf. Hier erfuhr ich auch, dass nicht jedes Opfer zum Täter wird und dass es möglich ist, sich aus dem Kreislauf der Gewalt zu befreien.
Mein Engagement
Heute setze ich mich als Schulungsleiter im Bereich sexualisierte Gewalt und als Berater für Betroffene sowie deren Angehörige ein. Mein Engagement bei „Nino e. V.“ und die Leitung von drei Selbsthilfegruppen sind für mich nicht nur eine Aufgabe, sondern eine Berufung. Durch mein Wirken möchte ich meine Erfahrungen weitergeben und den Betroffenen zeigen: „Du kannst da herauskommen!“
Blick nach vorn
Trotz der lebenslangen Folgen, die meine Zeit in den Kinderheimen nach sich zieht, habe ich gelernt, mein Leben zu meistern. Ich arbeite hauptberuflich im Kindergarten und habe meinem Beruf als Koch den Rücken gekehrt. Ich habe gelernt, das Leben aus einer neuen Perspektive zu betrachten und meine Erfahrungen als wertvolle Lehre zu sehen. In den Worten von Aldous Huxley: „Erfahrung ist nicht das, was einem zustößt. Erfahrung ist das, was man aus dem macht, was einem zustößt.“
Diese Worte haben für mich eine tiefgreifende Bedeutung erlangt. Sie spiegeln meine Überzeugung wider, dass wir zwar nicht immer die Umstände unseres Lebens kontrollieren können, aber die Macht besitzen, zu entscheiden, wie wir darauf reagieren und was wir daraus machen. Mein Leben zeugt davon, dass es möglich ist, auch aus den tiefsten Tiefen der Verzweiflung herauszufinden und ein erfülltes Leben zu führen.
Das Engagement trägt Früchte
Meine Arbeit, insbesondere die Gründung der Selbsthilfegruppen und die Veranstaltungen, die ich leite, haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, Raum für offene Gespräche zu schaffen. Es ist berührend zu sehen, wie Betroffene durch die gemeinsame Arbeit und den Austausch Heilung finden. Mein Ziel ist es, dieses Netzwerk der Unterstützung weiter auszubauen, um noch Menschen zu erreichen und ihnen auf ihrem Weg der Genesung beizustehen.
Herausforderungen und Hoffnungen
Trotz der Fortschritte gibt es immer noch viele Herausforderungen. Das Schweigen über sexuellen Missbrauch und die damit verbundenen Vorurteile in der Gesellschaft zu brechen, ist eine davon. Doch ich sehe auch viel Hoffnung. Immer mehr Menschen sind bereit, sich dem Thema zu stellen und für die Sache zu engagieren. Das gibt mir Kraft und motiviert mich, meinen Weg fortzusetzen.
Ein Blick in die Zukunft
Ich blicke optimistisch in die Zukunft und glaube fest daran, dass Veränderung möglich ist. Mit jedem einzelnen, den ich erreiche und unterstütze, fühle ich, wie die Last meiner eigenen Vergangenheit leichter wird. Es ist ein Weg des Gebens und Nehmens, auf dem wir gemeinsam wachsen und lernen. Mein Engagement ist ein lebendiges Zeugnis dafür, dass aus Schmerz Sinn und aus Leid Hoffnung erwachsen kann.
Meine Botschaft
An alle, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, möchte ich sagen: Ihr seid nicht allein. Es gibt Wege aus der Dunkelheit, und es gibt Menschen, die bereit sind, euch auf diesem Weg zu begleiten. Lasst uns gemeinsam für eine Welt kämpfen, in der sexuelle Gewalt keinen Platz mehr hat und in der jede Person die Unterstützung erhält, die sie benötigt, um heilen zu können.
Mein Leben und meine Arbeit sind der Beweis, dass Veränderung möglich ist. Lasst uns gemeinsam diese Veränderung vorantreiben.
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